Komplexe Postraumatische Belastungsstörung

Ich habe mein ganzes Leben gedacht, ich bräuchte keine Therapie, ich krieg das auch alleine hin.

 

 

Ich habe in meinem Leben öfter mal schlechte Phasen gehabt. Die hielten alle ein paar Wochen an, aber sie gingen auch wieder.

 

 

Nur diesmal wars anders, es kamen diesmal Suizid Gedanken hinzu, die einfach nicht mehr weg gingen. Zeitweise hatte ich echt Angst, Angst davor, dass meine Kinder irgendwann ohne Mama groß werden würden.

 

Es musste sich was ändern, besser gestern als morgen.

 

Nur wie?

 

Es standen natürlich mehrere Möglichkeiten im Raum:

Ambulante Therapie

Stationäre Therapie

Teilstationäre Therapie (Tagesklinik)

Ich lehnte erstmal alle ab. Weil mein größtes Problem war und ist, ich will um Gottes Willen nicht so werden wie meine Mutter. Ich will nicht krank sein!!!

Nur blöd das ich jeden Tag die Symptome spüre. 

 

Nach langem Hin und Her entschied ich mich dann für die Tagesklinik.

 

Ich weiß noch wie angespannt und nervös ich war, zumal ich auch gerade mal 4Std geschlafen hatte.

 

Ich ging mit dem Gedanken hin, ich hätte nur eine Depressive Phase, es wird bald wieder gut werden.

Vor allem war mein Ziel, meine Kinder bald wieder bei mir zu haben, damit ich endlich wieder die Mutter für sie sein kann, die sie verdient haben.

 

Wie Naiv und Gutgläubig ich bis dahin noch war…

 

 

 

 

 

Es dauerte 3 Wochen bis ich endlich ankam, ich mich dazu gehörig fühlte.

Dies war auch die Zeit wo ich mich den Mitpatienten und den Psychologen öffnen konnte.

 

Weitere 2 Wochen später bekam ich dann die für mich niederschmetternde Diagnose komplexe Posttraumatische Belastungsstörung. Bis dahin wusste ich nur dass es PTBS gibt. Der Unterschied sollte sein das ich eben mehrere Traumatische Situationen in meinem Leben erlebt habe.

 

Ich fühlte mich so hilflos und ratlos zugleich. Normalerweise googlete ich jede Kleinigkeit, nur diesmal nicht.

Bis dahin dachte ich noch ein paar Wochen Tagesklinik würden ausreichen und danach eben Ambulante Therapie.

 

Fakt war, die Tagesklinik sollte mich nur stabilisieren und das ich danach noch eine Zeit in eine Trauma Klinik sollte um das alles aufzuarbeiten, das ich eine Chance bekomme, meine Symptome zu lindern. Denn eine Heilung besteht nicht…

Krankheitsbild komplexe posttraumatische Belastungsstörung (komplexe PTBS)

Die amerikanische Psychiaterin Judith Herman war die erste, die den Begriff „komplexe PTBS“ für die auftretenden Störungen durch chronische Traumatisierungen vorgeschlagen hatte. Sie verwendete auch den Begriff „DESNOS“ (Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Speficied). Sie beschrieb, dass chronische Traumatisierungen in der Kindheit zu Veränderungen in den folgenden sechs Funktionsbereichen führen können:

  • Regulation von Affekten und Impulsen
  • Aufmerksamkeit oder Bewusstsein
  • Selbstwahrnehmung
  • Beziehung zu anderen
  • Somatisierung
  • Persönliche Bedeutungssysteme

 

Meistens handelt es sich bei diesem Trauma um langfristigen körperlichen, emotionalen oder sexuellen Missbrauch.

Im Folgenden sind einige Beispiele für Traumata aufgeführt, die eine komplexe PTBS verursachen können:

  • Vernachlässigungserfahrungen in der Kindheit
  • andere Arten von Missbrauch in jungen Jahren
  • häusliche Gewalt
  • Erfahrung mit Menschenhandel
  • Kriegsgefangenschaft
  • Leben in einer vom Krieg betroffenen Region.

Symptome der klassischen PTBS

Intrusives Wiedererleben

Intrusives Wiedererleben äußert sich in Form von sich aufdrängenden, belastenden Erinnerungen an das Trauma in Form von Flashbacks oder Albträumen. Betroffene haben dabei das Gefühl, die traumatische Situation nochmals zu durchleben.

Vermeidungsverhalten

Traumatisierte neigen dazu, alles, was sie an das Trauma erinnert, zu vermeiden. Dieses können zum Beispiel Aktivitäten, Situationen oder Orte sein. Die Vermeidung ist auf lange Sicht kontraproduktiv, da sich die Symptome der PTBS verfestigen.

Übererregung

Nach einem Trauma befinden sich Betroffene oft in einem Zustand ständiger und überhöhter Wachsamkeit (auch Hypervigilanz genannt). Dies äußert sich häufig in Form von Ängsten, übermäßiger Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Reizbarkeit und Konzentrationsstörungen.

 

Zusätzliche Symptome der komplexen PTBS

Bei einer komplexen PTBS treten zusätzlich zu den Symptomen der klassischen PTBS weitere Symptome in den Bereichen Affekt, negatives Selbstkonzept und interpersonelle Probleme auf. Im Folgenden sind die möglichen zusätzlich auftretenden Symptome der komplexen PTBS dargestellt. Für das Vorhandensein einer komplexen PTBS muss aus jedem der drei Bereiche (A-C) mindestens ein Kriterium erfüllt sein.

(A) Affekt

(A1) Störungen der Emotionsregulierung

– Erhöhte emotionale Reaktivität
– Gewaltsame Emotionsausbrüche
– Rücksichtsloses oder selbstschädigendes Verhalten
– Tendenz zu längeren dissoziativen Zuständen unter Stress

(A2) Emotionale Betäubung

(A3) Verminderte Fähigkeit, positive Emotionen zu erleben

(B) Negatives Selbstkonzept

(B1) Anhaltende Überzeugung, als Person minderwertig, machtlos und/oder wertlos zu sein

(B2) Tiefgreifende Schuld- und Schamgefühle

(C) Interpersonelle Probleme

(C1) Anhaltende Schwierigkeiten, emotionale Beziehungen aufrecht zu erhalten

(C2) Vermeidung von Beziehungen und sozialem Engagement oder geringes Interesse daran

 

Probleme mit dem Selbstwertgefühl. Menschen mit komplexer PTBS fühlen sich möglicherweise wertlos oder geben sich selbst die Schuld für ihr Trauma. Sie glauben vielleicht, dass schlechte Dinge wegen etwas in ihnen geschehen. 

Emotionale Dysfunktion. Menschen mit komplexer PTBS erleben oft intensive Emotionen, die manchmal unangemessen sind. Neben Wut und Traurigkeit können sie das Gefühl haben, in einem Traum zu leben. Sie haben möglicherweise Schwierigkeiten, sich glücklich zu fühlen.

Beziehungsprobleme. Eine komplexe PTBS kann es schwierig machen, anderen zu vertrauen. Manche Menschen bleiben in ungesunden Beziehungen, weil ihnen die Situation vertraut ist.

Therapie

Die Störungsbilder der komplexen PTBS sind sehr vielfältig und individuell. Aus diesem Grund sollte das Therapiekonzept auf jeden Betroffenen maßgeschneidert sein. Die Therapie sollte dabei nicht nur auf die bloße Reduzierung der Symptome abzielen, sondern auch den Aufbau von Selbstregulationsfähigkeiten und Ressourcen zum Ziel haben.

Therapiemethoden

Zur Behandlung der komplexen PTBS haben sich zahlreiche Therapiemethoden und Therapietechniken bewährt. Hierzu zählen zum Beispiel die folgenden:

  • Ego-State-Therapie
  • EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
  • Gestalttherapie
  • PITT (Psychodynamisch Imaginative Trauma Therapie)
  • DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie)
  • Somatic Experiencing (SE)
  • Kognitive Verhaltenstherapie

Behandlungsleitlinien der ISTSS

Die Arbeitsgruppe „Complex Trauma Task Force“ der International Society of Traumatic Stress Studies (ISTSS) hat auf Basis der relevanten Literatur und eines Expertenkonsensus Behandlungsleitlinien für die Behandlung der komplexen PTBS bei Erwachsenen erarbeitet. Diese sollten Grundlage jeder Therapie sein.

Die Behandlungsleitlinie empfiehlt ein phasenorientiertes Vorgehen, das aus den drei Phasen Stabilisierung (1), Traumakonfrontation (2) und Neuorientierung (3) besteht. Im Folgenden sind die drei Phasen im Detail erläutert.

Phase 1: Stabilisierung

In der ersten Phase der Traumatherapie, der Stabilisierungsphase, sollen Betroffene soweit „gestärkt“ werden, dass sie bereit sind, sich in der anschließenden Phase mit den traumatischen Erinnerungen konfrontieren zu können.

Folgende Ziele sollen in der Stabilisierungsphase verfolgt werden:

  • Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung: Am Anfang der Therapie sollte der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung im Vordergrund stehen. Sie ist Grundvoraussetzung dafür, dass eine Traumatherapie erfolgreich durchgeführt werden kann.
  • Psychoedukation: Betroffene sollen über das Störungsbild der komplexen PTBS und deren Auswirkungen, insbesondere auf die persönliche Entwicklung, den Lebensverlauf, die Weltanschauung und Beziehungen aufgeklärt werden.
  • Äußere Sicherheit: Befinden sich Traumatisierte weiterhin in einem bedrohlichen Umfeld, müssen gemeinsam Strategien erarbeitet werden, sich von diesem Umfeld zu lösen. Nur, wenn der Betroffene sich in Sicherheit fühlt, ist eine Trauma Verarbeitung überhaupt möglich. Betroffene sollen darin bestärkt werden, ein unterstützendes soziales Umfeld aufzubauen (z.B. Freunde, Selbsthilfegruppen).
  • Stärkung der Emotionswahrnehmung und -regulierung: Betroffene sollen lernen, ihre Gefühle klarer wahrzunehmen und besser regulieren zu können.
  • Aufbau eines positiven Selbstkonzeptes: Viele komplex Traumatisierte haben ein negatives Selbstbild. In der Stabilisierungsphase gilt es, dieses sukzessive in ein positives Selbstkonzept umzuwandeln.
  • Meditation und Achtsamkeit: Meditation und Achtsamkeit können den Therapieprozess deutlich unterstützen. Sie sind jedoch nicht alleine ausreichend für eine Therapie.

Phase 2: Trauma Konfrontation

Die zweite Phase zielt auf das bewusste Wiedererleben und die Neubewertung der traumatischen Erlebnisse ab. Durch das Wiedererleben des Traumas im Rahmen einer sicheren Umgebung (der Therapie), können traumatische Erlebnisse neu bewertet und in die Biografie integriert werden. Ziel ist es, dass die traumatischen Erinnerungen nicht mehr überflutend wirken, sondern als „normale“ Erinnerungen im biografischen Gedächtnis abgespeichert werden.

Wirkt die Konfrontation mit traumatischen Ereignissen zu belastend, so ist es ratsam, immer wieder zur ersten Phase, der Stabilisierung, zurückzukehren, damit der Betroffene die für die Trauma Konfrontation erforderliche Stabilität beibehält.

Phase 3: Neuorientierung

Die dritte Phase stellt den Übergang von der Therapie in das „Leben nach dem Trauma“ dar. Gegebenenfalls auftretende Sinnfragen werden geklärt und die Betroffenen dabei unterstützt, sich neu im Leben zu orientieren. Hierzu gehören zum Beispiel Pläne über Ausbildung, Beruf, Freizeit, Hobbys, soziale Aktivitäten und Beziehungen.

Begleiterkrankungen

Bezogen auf die klassische posttraumatische Belastungsstörung wurden die Begleiterkrankungen umfangreich untersucht. Laut dem National Comorbidity Survey aus den USA erfüllen 88% der Männer und 79% der Frauen mit PTBS die Diagnosekriterien mindestens einer weiteren psychiatrischen Störung.

Eine vorliegende depressive Episode wurde beispielsweise bei 48% der Männer und 49% der Frauen festgestellt. Gleichzeitiger Alkoholmissbrauch besteht bei 52% der Männer und 14% der Frauen, Drogenmissbrauch bei 35% der Männer und 8% der Frauen. Darüber hinaus treten oftmals auch Angststörungen auf. Hierzu gehören einfache Phobien (31% bei Männern, 15% bei Frauen), generalisierte Angststörungen (17% bei Männern, 8% bei Frauen) sowie die Agoraphobie (16% bei Männern, 8% bei Frauen).

Gemäß dem Canadian Community Health Survey besteht auch ein Zusammenhang zwischen PTBS und Rückenschmerzen und Fibromyalgie. Bei Personen mit PTBS beträgt die Häufigkeit gleichzeitig vorliegender Rückenschmerzen 46%. Bei gleichzeitig vorhandener Fibromyalgie beträgt die Häufigkeit 8%.

Was können Angehörige tun?

Es hat sich gezeigt, dass – neben frühzeitiger psychologischer Betreuung – eine intensive soziale Unterstützung nach einem traumatischen Ereignis sehr wichtig ist. Hat jemand aus der Familie oder in dem Freundeskreis ein Trauma erlebt, können folgende Tipps hilfreich sein:

  • Seien Sie als Angehöriger oder Freundin sehr vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen oder gar Schuldzuweisungen.
  • Hören Sie aufmerksam und genau zu. Respektieren Sie die Gefühle des Betroffenen, zum Beispiel Angstgefühle, als etwas, dass er real erlebt.
  • Unterstützen Sie die betroffene Person dabei, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Informieren Sie sich selbst über PTBS, zum Beispiel bei Opferschutzorganisationen.
  • Nehmen Sie Andeutungen zum Thema Suizid unbedingt ernst und suchen Sie umgehend professionelle Hilfe.

Wie man richtig mit einem traumatisierten Menschen umgeht

  • Was man unter einem Trauma versteht und wie nahestehende Menschen helfen können, darüber sprachen wir mit dem Psychotherapeuten Marc Saretzki aus Kiel

 

Das war geradezu traumatisch!“ Umgangssprachlich verwenden wir diesen Begriff für alle möglichen unangenehmen Situationen des Lebens. Aber was verstehen Sie unter einem Trauma, Herr Saretzki? Sie sind Psychotherapeut an der Trauma-Intensivambulanz am Zentrum für Integrative Psychiatrie in Kiel.

 

Direkt übersetzt bedeutet der Begriff zunächst einmal „Verletzung, Wunde“. In der Medizin wird damit eine körperliche Verletzung durch Gewalteinwirkung oder einen Unfall bezeichnet. Übertragen auf die psychologische Ebene sprechen wir dann von einer Traumatisierung, wenn jemand mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt konfrontiert war und in Folge davon eine anhaltende Belastung erlebt.

 

Gibt es Ereignisse, die ein besonders hohes Risiko bergen, Beteiligte zu traumatisieren?

 

Ganz vorne liegt da sexuelle Gewalt, darauf folgen Folter und andere Gewaltverbrechen. Nach sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung ist die Wahrscheinlichkeit, eine Traumafolgestörung wie eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, sehr hoch. Eher zufällige Ereignisse wie Unfälle oder Naturkatastrophen werden zumeist besser bewältigt und führen seltener zu einer Folgestörung als intentionale Ereignisse wie Überfälle, Kriegserlebnisse oder sexuelle und körperliche Gewalt. Das liegt unter anderem daran, dass letztere viel stärker die eigenen Einstellungen erschüttern (z.B. „ich bin nirgends sicher“, „ich verdiene, dass mir schlechte Dinge passieren“) als etwa, wenn viele Menschen gleichzeitig von Waldbränden oder Überflutungen betroffen sind, ihr Leid teilen und sich miteinander über ihr Erleben austauschen können.

 

Die Coronapandemie könnte man letztlich auch als Naturkatastrophe ansehen. Tragen schwer Erkrankte oder Menschen, die Angehörige wegen COVID-19 verloren haben, möglicherweise auch ein Trauma davon?

 

Tatsächlich kann eine schwere Coronaerkrankung der genannten Definition entsprechend einen Auslöser darstellen, wenn Betroffene tatsächlich oder zumindest gefühlt dem Tode nahe sind. Wir sprechen dabei von medizinischen Traumata, die nach lebensgefährlichen Erkrankungen wie einem Herzinfarkt oder medizinischen Eingriffen wie Operationen auftreten können.

 

Mal unabhängig von der Ursache: Was kann ich tun, wenn ein Familienmitglied oder eine Freundin ein erlebtes Trauma zu bewältigen hat?

 

Anerkennen, dass die Person etwas Schlimmes erlebt hat und dadurch belastet ist. Trauma bedingte Reaktionen wie Gereiztheit nicht auf sich selbst beziehen. Den einen richtigen Weg der Unterstützung gibt es nicht. Aber ganz grundsätzlich ist schon viel geholfen, indem Sie die Bereitschaft signalisieren: Ich will für dich da sein und dir zuhören, wenn du über das Erlebte sprechen möchtest. Dabei geht es nicht darum, etwas zu forcieren: Jetzt erzähl doch mal, es wird dir helfen, darüber zu reden. Man sollte die Wünsche des oder der Betroffenen respektieren.

 

Und falls Betroffene jedes Gespräch zum Thema ablehnen?

 

Ist das für den Moment auch völlig in Ordnung. Jeder hat seine eigene Weise, mit einem Trauma umzugehen. Manche lenken sich gezielt dauernd ab, gehen erst einmal in die Vermeidung. Das ist langfristig aus therapeutischer Sicht nicht der richtige Weg, aber als Angehöriger oder Freund hat man nicht die Aufgabe, den anderen zu etwas zu bringen, was er gerade nicht möchte oder auch nicht kann. Konzentrieren Sie sich eher darauf, wie Sie konkrete Hilfestellung im Alltag bieten können, etwa bei Einkaufen, Kinderbetreuung oder anderen organisatorischen Dingen. Denn gerade in den ersten Stunden und Tagen nach einem traumatischen Erlebnis befinden sich Menschen oft in einem Schockzustand, sind nicht in der Lage, normal zu „funktionieren“.

 

Was raten Sie, wenn man sich sehr unsicher und hilflos im Umgang mit einem traumatisierten Menschen fühlt?

 

Alles ist besser als sich zu distanzieren. Denn aus der Angst heraus, etwas falsch zu machen oder den Zustand des anderen sogar noch zu verschlimmern, gehen Menschen im Umfeld manchmal auf Abstand, was zu einer unguten Dynamik führt. Man weiß, dass soziale Unterstützung eine entscheidende Rolle bei der Traumabewältigung spielt. Am besten sprechen Sie Ihre Unsicherheit an: Ich möchte dir gerne helfen, weiß aber nicht, wie. Was wünschst du dir von mir, was brauchst du gerade? Es kann sein, dass ein offenes Gespräch zur Entlastung führt oder eine gemeinsame Unternehmung. Manche Betroffenen leiden zusätzlich darunter, wenn sie mit Samthandschuhen angefasst werden.

 

Angenommen, die betroffene Person möchte über das erlebte Leid sprechen – was, wenn mir die Schilderungen selbst nicht guttun?

 

Sie sprechen das Konzept der sekundären Traumatisierung an. Berichtet jemand sehr detailliert von einem schrecklichen Erlebnis, entstehen natürlich auch im Kopf des Zuhörers schlimme Bilder, die oft nicht leicht auszuhalten sind. Erlebt man als Begleiter einer traumatisierten Person, dass man sich nicht mehr abgrenzen kann und selbst leidet, sollte man sich selbst Hilfe suchen und die Belastung nicht aus Gründen der Loyalität – „Ich erzähle das nur dir im Vertrauen, du darfst mit niemandem darüber sprechen“ – still ertragen. Die Telefonseelsorge beispielsweise bietet die Möglichkeit einer anonymen Aussprache. Aber auch der oder die Betroffene sollte es respektieren, wenn Sie darum bitten, Ihnen keine weiteren schlimmen Einzelheiten mehr preiszugeben.

 

Bei Nahestehenden hat man sicher weniger

Berührungsängste als bei einem Menschen, den man gerade erst kennengelernt hat und der sich als traumatisiert offenbart. Gelten hier andere Regeln?

 

Zunächst würde ich es als großen Vertrauensbeweis und als Geschenk ansehen, wenn sich mir jemand öffnet, den ich noch nicht lange kenne. Ich würde auch hier fragen: Möchtest du mir mehr erzählen, ist es in Ordnung, wenn ich nachfrage? Egal, wie eng der Kontakt ist: Jeder Mensch profitiert davon, wenn er Mitgefühl spürt und sieht, dass andere sein Leiden anerkennen und ernst nehmen. Lapidare Bemerkungen wie: „Sei doch froh, dass du überlebt hast, jetzt ist es ja vorbei!“ sind in keinem Fall angebracht und hilfreich. Und auch überbordendes Mitleid - „Oh Gott, das ist ja schrecklich, wie kannst du nur weiterleben?“ - halte ich für fehl am Platz. Besser ist es, Mitgefühl und Zuversicht zu formulieren, etwa „Dir ist wirklich Schlimmes passiert“ und „Ich bin überzeugt, dass du das bewältigen kannst.“

 

Sie sprachen vorhin bereits vom Posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS) als Traumafolgestörung. Erlebt das nicht jeder Mensch nach einer traumatischen Erfahrung?

 

Nein, sehr häufig wird ein traumatisches Erlebnis auch ohne therapeutisches Zutun bewältigt. Eine Folgestörung tritt dann auf, wenn dies nicht gelingt – die PTBS ist eine mögliche Folge. Dabei drängen sich Erinnerungen an das Erlebte im Wachzustand oder in Alpträumen immer wieder ungewollt auf, Betroffene versuchen, diese Erinnerungen, bestimmte Aktivitäten und andere Auslöser zu vermeiden, sind eventuell reizbar, übermäßig schreckhaft oder leiden unter Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Haben Sie den Verdacht, jemand aus Ihrem Familien- oder Bekanntenkreis könnte unter einer PTBS leiden, dann sollten Sie ihn auf die Möglichkeit psychotherapeutischer Unterstützung aufmerksam machen. Denn je länger die Symptome bestehen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie von alleine verschwinden. Weitere Traumafolgen können beispielsweise Depressionen, Angststörungen oder Substanzmittelmissbrauch sein.

 

Möglicherweise ist ein Trauma für Außenstehende manchmal gar nicht nachvollziehbar, Motto: „Viele Menschen im Krieg haben Schlimmeres erlebt und konnten das auch aushalten.“ Wie geht man mit Zweifeln an der Schwere der Erkrankung um?

 

Indem man sich klar macht: Jeder Mensch hat eine andere psychische Konstitution. Manche sind innerlich gefestigter, können schlimme Erfahrungen leichter bewältigen, andere sind verletzlicher. Hinzu kommt der „Building Block Effect“, Deutsch: Bauklotz-Effekt. Vielleicht gab es in der Vorgeschichte schon viele Ereignisse, die zunächst bewältigt werden konnten – aber irgendwann passiert dann etwas, das den Turm zum Einstürzen bringt. Therapeutisch betrachtet man niemals nur Einzelereignisse, sondern immer den ganzen Menschen mit seiner Biographie.

Wie ich es empfinde…

Nicht nur das die Krankheit weit gefächert ist, kann es sich bei jedem anders zeigen.

 

Nicht nur das ich mich seit ich denken kann anders, quasi wie ein Alien gefühlt habe, hatte ich früher schon Probleme mit Vertrauen. Vertrauen in mein Gegenüber und vor allem in mich.

 

Was heute allgegenwertig ist bzw. dazugekommen ist, sind schmerzen im Rücken und Nacken, Magen-Darm Probleme, Panikattacken, Flashbacks, Albträume, Suizid Gedanken.

 

Was mir Ruhe und Sicherheit gibt, wenn meine Tage gut durchgeplant sind bzw. wenn alles wie gewohnt ist. Was aber das Tückische an dieser Krankheit ist, kein Tag gleicht dem anderen. Es gibt Tage, da geht’s mir gut (körperlich) aber seelisch bin übermäßig angespannt, wie ein scheues Reh was eine Obacht Haltung angenommen hat. Andere Tage sind geplagt von Schmerzen wo ich ohne Schmerzmedis kaum aushalte.

Und wenn es richtig hart kommt, gibt es solche Tage wo es mir psychisch und körperlich zum wegrennen geht.

 

Welche Macke ich durch meine Vergangenheit angeeignet habe, dass ich immer wissen muss was kommt, damit ich vorbereitet bin.